Transformationsdialog „Schneller umnutzen“
Dem vom BBSR ermittelten Bedarf von 320.000 neuen Wohneinheiten jährlich bis 2030 stehen laut Zensus knapp 2 Millionen ungenutzte Wohnräume gegenüber, davon circa 700.000 bezugsfertig in 3 Monaten. In den 7 großen Städten Deutschlands stehen 7,6 Millionen qm Büroflächen leer, davon allein in Berlin 1.75 Mill. qm, was bei einer Umnutzung dieser in Wohnraum rechnerisch circa 30.000 Wohnungen entsprechen könnte.
Deutschland ist faktisch gebaut, jedoch zurzeit nicht ausschließlich dort, wo aktuell der Bedarf lokalisiert scheint und nicht ausschließlich mit dem, was gerade gebraucht wird.
Im Rahmen des Transformationsidalog „Schneller umnutzen“ standen deshalb zwei Fragen im Vordergrund: Wie kann der Wohnungsleerstand zu den Menschen gebracht werden und wie kann der Büroleerstand schnell und einfach in Wohnraum umgenutzt werden. Die Bundesstiftung Bauakademie hat dazu vier Expert*innen einladen, die bereits erste Lösungen umsetzen.
Die Videodokumentation der Veranstaltung finden Sie auf unserem YouTube-Kanal.
ENTWICKLUNG VON BESTAND IM LÄNDLICHEN RAUM
Frank Bachmann, Fachbereichsleiter für Bau und Stadtentwicklung der Stadt Pößneck, stellte die „Methode Pößneck“ vor. Die Stadt mit 12.000 Einwohner*innen tritt selbst als Projektentwicklerin auf, kauft (Wohn-)Leerstand in der Innenstadt auf, ertüchtigt diesen im Rohbau und der Fassade und veräußert diesen an neue Investor*innen, die den Rohbau dann anschließend weiter ausbauen und selbst nutzen bzw. sozialverträglich vermieten. Die Stadt nutzt dazu die Städtebauförderung. Insgesamt 20 Objekte wurden bisher ertüchtigt und an neue Bewohner*innen verkauft.
Anne Kruse, Projektentwicklerin im Netzwerk Zukunftsorte e.V., Brandenburg, stellte die Arbeit des Netzwerks vor. Dem ländlichen Raum eine Stimme zu geben und die Potenziale für neue Orte des Zusammenlebens hinter alten Mauern, Scheunen und Höfen aufzuzeigen, die nicht nur das Wohnen im Blick haben, sondern auch neue sozioökologische, kulturelle und ökonomische Perspektiven und Infrastrukturen mit auf das Land bringen, ist das zentrale Anliegen des Netzwerks. Neben dieser raumpolitischen Arbeit wird zusätzlich ein „Leerstandsmatching“ aufgebaut sowie ein Lern- und Beratungsangebot entwickelt, um Kommunen (auch als Erbbaupachtgeber*innen) und Interessent*innen miteinander zu vernetzen und im Entwicklungsprozess zu begleiten und zu qualifizieren.
UMNUTZUNG VON BESTAND IN GROSSSTÄDTEN
Caroline Nachtigall-Marten, Architektin bei Duplex Architekten in Hamburg und Projektleiterin des Wohngenossenschaftsprojektes Gröninger Hof in Hamburg, stellte die bisherigen Erfahrungen im Umbau eines leerstehenden Parkhauses vor. Möglich wurde das in Erbbaupacht entwickelte Genossenschaftsprojekt durch das Baulandimmobilisierungsgesetz in Hamburg, das eine Neuaufstellung eines gültigen B-Plans bei Umnutzung eines Bestandsobjekts zulässt. Während der Bestandsanalyse wurde jedoch festgestellt, dass die Betonkonstruktion nur noch zum Teil erhalten werden konnte, was aus dem ursprünglichen Umbau bauordnungsrechtlich einen Neubau machte. Die nun damit verbundenen Fragen, Auflagen und Entwicklungen wurden unter viel Zeitaufwand gemeinsam bewältigt, eine sozialverträgliche Miete ist trotz allem weiterhin möglich. Vorgeschlagen wurde der Aufbau einer Dialog- und Wissensplattform zwischen Verwaltung und Architekt*innen, um in Zukunft Genehmigungsprozesse zu vereinfachen. Zudem ist ab 2026 in Hamburg eine Flexibilisierung der Definition Bestandsschutz geplant.
Prof. Dr. Rudolf Hierl, Architekt und Referent für Wohnen und Standards im BDA Bayern stellte die BDA-Handreichung „Office to Housing“ vor. Die Publikation stellt anhand praxisorientierter Informationen zu Typologien geeigneter Bürogebäude, finanziellen Fördermöglichkeiten, steuerlichen Anreizen sowie technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen die Möglichkeiten der Umnutzung von Büroleerstand in Wohnraum dar. Ein besonderer Punkt: Sie wurde mit der Verwaltung Münchens erarbeitet, denn die städtischen Verwaltungen sind der zentrale Schlüssel in der Genehmigung von Bestandsentwicklungen. Das Fazit: Nichts ist unmöglich. Eine zentrale Herausforderung bleibt jedoch der Kapitalmarkt. Eine Förderung der Bestandsentwicklung über eine Steuererleichterung kann Anstoß geben; die Abwertung der Fondsratings großer Büroimmobilien bei Umwandlung in Wohnraum löst es nicht. Hier braucht es ein gesellschaftliches Umdenken.
Alle Projekte zeigen, dass die ökologische Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft vor allem auch eine soziökonomische Transformation der Projektentwicklung und Renditeerwartung ist. Der Gewinn ist hier der Klima- und Ressourcenschutz, der soziale Zusammenhalt und eine identitätsstiftende Baukultur.